Dr. Axel Hilller - Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht im Frankfurt am Main
Arbeitsrecht A-Z

Direktionsrecht

§ 106 GewO erlaubt dem Arbeitgeber, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher zu bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften geregelt sind. Der Arbeitgeber hat dabei jedoch billiges Ermessen zu wahren und darf nicht willkürlich vorgehen (vgl. BAG, Urt. v. 11.02.98, NZA 1998, 647-648; BAG, Urt. v. 24.04.96, NZA 1996, 1088, 1089).

Ob dies im Einzelfall geschehen ist, unterliegt uneingeschränkt gerichtlicher Nachprüfung, wobei den Arbeitgeber für die tatsächliche Respektierung der Grenzen seiner Dispositionsmacht die volle Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. u.a. ArbG Berlin, Urt. v. 25.07.08, dbr 2009, Nr 1, 41).

In diesem Zusammenhang entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers nach billigem Ermessen eine Abwägung der beiderseitigen Interessen verlangt. Ebenso ist seit Jahrzehnten anerkannt, dass bei dieser Abwägung die wechselseitigen Belange jeweils angemessene Berücksichtigung finden müssen (vgl. BAG, Urt. v. 23.09.04, NZA 2005, 359-362; ArbG Berlin, Urt. v. 25.07.08,.a.a.O.).

Als Leitlinie gilt für den Arbeitgeber beim Gebrauch seines Weisungsrechts, dass er seinem Personal vermeidbare Belastungen zu ersparen hat (vgl. ArbG Berlin, Urt. v. 25.07.08, a.a.O.).

Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erfordert eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen wie der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit, sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit.

Die Berücksichtigung der Billigkeit gebietet eine Berücksichtigung und Verwertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles. Hierzu können insbesondere die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse und familiäre Unterhaltsverpflichtungen gehören (BAG, Urt. v. 21.07.09, Az. 9 AZR 378/08, zit. nach Juris; BAG, Urt. v. 28.11.89, NZA 1990, 559-561; Hess. LAG, Urt. v. 13.01.06, Az. 17/13 Sa 220/05).

Die Rücksichtsnahmepflicht des Arbeitgebers auf die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers ergibt sich auch aus § 241 Abs. 2 BGB (vgl. HK-ArbR/Becker, Nomos, 2. Auflage, § 106 GewO, Rn. 23).

Auf Seiten des Arbeitsnehmers sind beispielsweise seine gesundheitlichen Beschwerden, seine Mobilitätsmöglichkeiten und seine familiären Verpflichtungen zu berücksichtigen (vgl. HK-ArbR/Becker, Nomos, 2. Auflage, § 106 GewO, Rn. 24).

Die Überschreitung der Grenzen billigen Ermessens kann den Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG verletzen, deren Schutz und Förderung dem Arbeitgeber auch in § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG aufgegeben ist (vgl. ArbG Berlin, Urt. v. 05.05.06, Az. 28 Ca 6409/06, zit. nach Juris).

Ferner ist der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts aus
§ 106 GewO an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden (vgl. LAG Köln, Urt. v. 26.07.2010, NZA-RR 2010, 641-642).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestimmt der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleich zu behandeln hat, soweit sie sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden (vgl. BAG, Urt. v. 13.02.02, NZA 2003, 215-217).

Nur soweit der Arbeitgeber die Grenzen des Weisungsrechts beachtet, hat der Arbeitnehmer den Weisungen Folge zu leisten (vgl. Erfurter Kommentar/Preis, § 106 GewO, Rn. 1).

Rechtswidrige Weisungen oder Weisungen, die in der Ausübung nicht dem billigen Ermessen entsprechen, sind für den Arbeitsnehmer unbeachtlich, weil sie unverbindlich sind.

Dem Arbeitnehmer steht insoweit ein Leistungsweigerungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB zu (HK-ArbR/Becker, Nomos, 2. Auflage, § 106 GewO, Rn. 3, 29).

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